
Sonntag. Es ist der bisher heißeste Tag des Jahres 2013. Die Temperaturen steigen langsam aber sicher an. Und ich freue mich auf mein erstes Mal. Genau genommen meine erste organisierte Fototour in einer Gruppe von Menschen, die ebenso fasziniert von Fotografie und dem perfekten Motiv sind, wie ich es bin.

























Verabredet bin ich morgens halb acht – und gleich müsste Tino nebst Frau Claudi um die Ecke biegen. Eine SMS piepst auf meinem Smartphone „Dauert noch ein bisschen…“. Ok, noch mal Zeit die Ausrüstung zu überprüfen: Kamera? check! Objektive? check! Akkus und Speicherkarten? check! Gerade als ich mir meine Zigarette anzünden will, kommt der Alfa Romeo angebraust. Ich steige ein und auf geht es in das ca. zweieinhalb Stunden entfernte Wünsdorf – genauer gesagt die dortige ehemalige Infanterieschule. Im Auto erfahre ich noch ein wenig mehr über die Fototouren mit go2know und dass das Team immer sehr interessante Plätze für die Fototouren aussucht. Tino und Claudi haben selbst schon an drei Touren teilgenommen und scheinen voll begeistert zu sein. Ich für meinen Teil bin im Augenblick nur aufgeregt…
Auf der Fahrt nach Wünsdorf kommt auch Tinos Geocaching-Leidenschaft nicht zu kurz – und nach einem kurzen Stopp für kleine bzw. große Mädchen und Jungs geht es endlich weiter zu unserem Ziel. Mein Zeigefinger und ich wollen endlich die ersten außergewöhnlichen Motive einfangen.
Als wir ankommen, sind die meisten schon da. Bepackt mit Stativen und teilweise mehreren Kameras stehen sie um Thilo, unserem Guide, herum und füllen eine Erklärung aus, dass man sich auf eigene Gefahr in den Objekten bewegt. Das machen wir auch schnell und ab geht es in Autokolonne auf das eigentliche Gelände. Begrüßt werden wir hier von einem Security-Wachmann, der nicht aussieht wie ein Wachmann… Am Platz angekommen stellen wir unsere Autos in einer Art Carport (vermutlich die einstigen Stellplätze für Panzerfahrzeuge) unter und laufen das letzte Stück zum Treffpunkt. Hier erfahren wir einige interessante Dinge zum Gelände, werden mit einem Lageplan ausgestattet und erhalten Tipps, wo die besten Motive auf uns warten.
Claudi, Tino und ich stiefeln los und finden kurz darauf das erste Motiv: Eine alte Emailletasse auf einem Fenstersims. Wie diese Tasse scheint auch der Rest der ehemaligen Infanterieschule die besten Zeiten hinter sich zu haben. Doch mit bedacht, dem ein oder anderen zaghaften Schritt nach vorn und viel Entdeckergeist – erkunden wir nach und nach das riesige Gelände: Ein Theatersaal, ein Kino, sogar ein Casino erwarten uns neben den Unterkünften. Wir entdecken gar einen mumifizierten Fuchs, der lässig an der Tür lehnt und nur darauf wartet von uns abgelichtet zu werden – gruselig. Und auch in den teilweise dunklen Kellern jagen uns Schauer über den Rücken (Anmerkung an mich: Ich schaue eindeutig zu viel Splatterfilme!).
Wir fotografieren eine Unmenge kleiner Details und wagen uns auf einen verdächtig knarrenden Dachboden, auf dem ich seit langem wieder DDR-Trinkvollmilch-Tüten erspähe. Überall an den Wänden kleben russische Propaganda-Zeitungen (vermutlich wollte das auch keiner mehr lesen) und alles sieht ein wenig stark mitgenommen aus. Übermalte Fließen, herabhängende Tapetenfetzen und Farbe, die bei der geringsten Berührung von der Wand bröselt, zeugen von der bewegten Geschichte des Hauses und sind zugleich unglaublich faszinierend. An jeder Ecke warten neue Kleinode darauf von uns entdeckt zu werden – und so erspähen wir mit unseren Kameras alte Leitungen, wieder und wieder überstrichene Rohre, kaputte Scheiben oder auch Glaskacheln, mit denen das Sonnenlicht sein zauberhaftes Spielchen treibt.
Riesige Löcher in den Böden, Wänden und Decken halten uns in manchen Räumen gar davon ab einzutreten. Und trotz großer Vorsicht, gibt der Boden einige Male unter mir leicht nach und Adrenalin schießt in mir hoch. In solchen Situationen heißt es: Schnell ein Foto machen und sofort wieder auf sicheren Boden landen.
Gegen Mittag stimmt dann das ein oder andere hungrige Knurren unserer Mägen in das Knarren der alten Dielen ein, sodass wir zunächst erst mal zurück zum Treffpunkt marschieren, wo uns schon ein vorgeheizter Grill erwartet. Wir legen unsere Steaks und Würste aufs Gitter (Danke nochmal an den Grillmeister Tino). Während unsere Essen lecker duftend dahin schmort, halte ich ein kleines Schwätzchen mit Thilo unserem Guide, der vor diesem Job DJ in Berlin war. Ich hole mir ein paar Tipps zu guten Clubs in Berlin und frage, welche Touren denn noch so geplant sind. Nachdem wir das Knurren unserer Bäuche mit leckerem Grillgut beruhigt haben, geht es weiter zu den letzten Gebäuden auf dem Gelände.
Mittlerweile sind es schon über 30 Grad draußen und langsam aber sicher ähnelt mein Antlitz einer frühreifen Tomate. Also flüchten wir ins Innere der verbleibenden Häuser und schießen unsere letzten Fotos, bevor wir zusammenpacken und uns auf den Rückweg machen.
Zuhause angekommen, überspiele ich gleich die Bilder auf meinen Laptop und weiß schon jetzt, dass es vielleicht gar nicht so dumm gewesen wäre, doch ab und wann mal ein Stativ zu benutzen ;-).
Im Großen und Ganzen war die Tour eine tolle Gelegenheit, um Fotos zu machen – und auch einmal das eher zweckmäßige Flair der verlassenen russisch-ostdeutschen Infanterieschule in Szene zu setzen. Mir persönlich fehlte bei den Gebäuden jedoch einfach etwas „Schnörkelei“ – also alte Tür- und Fenstergriffe, Stuckelemente oder Einbauschränke. In jeden Fall bin ich wieder dabei! Wer sich dafür interessiert alte verlassene Anlagen fotografisch zu erkunden, sollte mal einen Blick auf www.go2know.de riskieren.